Deutschland übernahm am 01. Juli 2020 die europäische Ratspräsidentschaft und damit eine große Verantwortung (siehe LINK). Diese Position versetzt die Bundesrepublik in die Lage größeren Einfluss auf die Debatten innerhalb der Europäischen Union zu nehmen.
In unserem Gespräch mit der Ständigen Vertreterin der Deutschen Botschaft Heike Dettmann und dem Botschaftsrat für Flucht und Migration haben wir über ihre Einschätzung der Situation vor Ort besprochen und welche Erwartungen aus ihrer Sicht die Griechen an die EU haben.
Eine der großen Herausforderungen bleibt die Reform des EU-Asyl- und Migrationspakts. Seit mittlerweile vier Jahren wird auf eine dringend notwendige Einigung unter den Mitgliedsstaaten gehofft.
Faire Regelungen zur Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge gibt es nicht. Die Staaten an den Außengrenzen, so auch Griechenland, verfügen nicht über die Mittel und Kapazitäten um Flüchtlinge aufzunehmen. Pushbacks, keine bzw. die Verhinderung von Seenotrettung und der humanitäre Ausnahmezustand in den Aufnahmelagern auf den griechischen Inseln sind Zustände, die Europa nicht würdig sind.
Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass das Mittelmeer zum Massengrab für Menschen auf der Flucht wird und, dass die Menschen in den Aufnahmelagern verelenden.
Die Aufnahmelager werden vor allem durch spendenfinanzierte NGOs am Laufen gehalten. Die Grundversorgung der europäischen und griechischen Hilfen reicht nicht aus und NGOs sind in dem System existentiell. Wie die Zusammenarbeit und Finanzierung funktioniert, werden wir uns vor Ort anschauen.
Es braucht jetzt eine Reform hin zu einem gerechten und effizienten Asylsystem in Europa. DIE GRÜNEN/EFA im Europäischen Parlament haben im März dieses Jahres einen Entwurf vorgelegt.
Unser Ziel muss es sein, das Recht auf Asyl zu schützen. Ebenso elementar wichtig ist es, dass das Prinzip der ersten Einreise durch eine faire Aufteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedsstaaten ersetzt wird, sowie Anreize statt Zwangsmaßnahmen dafür geschaffen werden, damit Asylsuchende in dem Mitgliedsstaat bleiben, der für ihr Asylverfahren zuständig ist.
Die Relocation-Programme, die 2020 minderjährige Asylsuchenden und kranke, behandlungsbedürftige Kinder/Jugendliche sowie ihre Familie aus den Lagern nach Europa holen, werden durch griechische Partner vorbereitet und mit europäischen Institutionen, wie der EASO, abgewickelt. Bis Ende des Jahres sollen die deutschen Zusagen zur Aufnahme umgesetzt sein. Bei knapp 4.700 unbegleiteten Minderjährigen in Griechenland, wovon 1.118 in den Aufnahmelagern auf den griechischen Inseln leben (Stand 30.06.2020), kann das nur ein Anfang sein. Weitere vulnerable Gruppen, wie Familien mit Kindern, traumatisierte Personen oder alleinreisende Frauen brauchen dringend Perspektiven.
Weiterhin braucht es europäische und internationale Vereinbarungen über Resettlement-Abkommen, um besonders Schutzbedürftige ohne riskante Flucht in Sicherheit zu bringen.
Wir dürfen nicht vergessen: ein Großteil der Geflüchteten kommt im eigenen Heimatland oder in Nachbarländern unter und möchte auch dort bleiben. Eine echte Entwicklungshilfe setzt dort vor Ort an und ermöglicht den Millionen von Binnenflüchtlingen heimatnahe Perspektiven statt einer waghalsigen Flucht, nur um das blanke Leben zu retten.
Die neue griechische Regierung hat der Bevölkerung versprochen, europäische Solidarität einzufordern und die Hotspots zu entlasten. Die europäischen Mitgliedstaaten dürfen die Länder an den Außengrenzen nicht länger alleine lassen. Im Gespräch mit den Vertreter*innen der Botschaft wurde deutlich, dass diese Schritte jetzt dringend umgesetzt werden müssen. Wir werden vor Ort auch mit Stakeholdern des Gemeinwesens ins Gespräch kommen und die Situation vor Ort analysieren.