Meine Rede zum Bericht der Staatsregierung zur Corona-Pandemie (18.11.2021)

Vor wenigen Wochen war ich in Spanien. Es war sehr schön und das Wetter war sonnig. Trotz der Corona-Pandemie gab es keinen Stillstand, sondern Leben in den Straßen, in den Gassen und auf den Märkten.

Warum?

Einreisen konnte man nur mit 3G.

Es haben alle Masken getragen und zwar auch draußen, dort wo es eng war und wo sich Menschen begegnet sind. Es stand kein Schild, es stand kein Polizist da, um dies zu kontrollieren. Es ist einfach Normalität.

Mit einer einfachen Handbewegung zeigt jede oder jeder ihr oder sein Impfzertifikat vor. Ganz selbstverständlich beim Einchecken ins Hotel oder am Einlass im Museum. Wurden es der Museumswärterin zu viele Menschen, hat sie freundlich um Einhaltung des Abstands gebeten. Die Besucher haben sich darangehalten und sind erstmal in einen anderen Raum gegangen – ohne Kommentare oder böse Worte.

Was ist in Spanien anders als in Sachsen?

Die Impfquote: 79 % der spanischen Bevölkerung sind vollständig geimpft! Bei den über 12Jährigen sind es über 90 %.

Es war kein erkennbarer Widerstand gegen die Hygiene- bzw. Corona-Maßnahmen zu merken, es war einfach selbstverständlich die Maske richtig aufzusetzen.

In Sachsen dagegen werden gerne Lücken und Löcher gesucht, um die Corona-Schutz-Verordnung und ihre Maßnahmen zu umgehen. Da waren trotz Lockdown im letzten Winter Kneipen im Erzgebirge offen. Da werden trotz 2G keine Zutrittsbeschränkungen kontrolliert. Und über jede Maßnahme wird diskutiert und sich aufgeregt, welcher Nachteil jetzt schon wieder zu ertragen ist. Mit der Haltung: Ich, Ich, mein Haustier und dann lange nichts, kommen wir in dieser Situation nicht weiter.

Wo kommt dieser irrationale, unwissenschaftliche und aggressive Wiederstand her?

Schauen Sie mit mir exemplarisch nach Dorfchemnitz in Mittelsachsen. Diese kleine Gemeinde hatte letzte Woche die höchste Corona-Wocheninzidenz in den sächsischen Landkreisen mit 2836,4. Eine Woche später war es immer noch eine Inzidenz von über 1500 und weiter 26 Infizierte. Dorfchemnitz ist auch die Gemeinde, die zur Bundestagswahl den größten Stimmenanteil für die AfD eingefahren hat. Die AfD, die Impfungen ablehnt, die jegliche Corona-Maßnahmen verweigert. Die den Widerstand gegen Schutzmaßnahmen ausruft und gegen 2G als Zwangsimpfung klagt.

Auch von den Infizierten der letzten Wochen in Dorfchemnitz wird statistisch betrachtet fast 1% auf einer ITS landen und von den hochaltrig Infizierten wird jeder Fünfte versterben. Das ist doch unerträglich verantwortungslos, verlogen und ein Akt gegen die Menschlichkeit, was die AfD hier initiiert!

Aber unser Gesundheitssystem kümmert sich um alle und das ist gut so!

In der Diskussion um Triage warne ich ausdrücklich vor den Ideen das Verursacherprinzip in dieser Situation jetzt anzuwenden. Wer krank ist braucht Hilfe und bekommt Behandlung, egal ob er geimpft ist, Sport treibt oder gesund lebt. Auch Menschen, die sich nicht an Spielregeln halten, werden versorgt, wie ein Autofahrer der zu schnell war oder eine angetrunkene Fußgängerin.  Die Pandemie darf nicht unsere Grundwerte in der gesundheitlichen Versorgung in Frage stellen.

Verzweiflung aufgrund der Fallzahlen und das absolute Unverständnis über gewalttätigen und unflätigen Protesten können uns aber nicht davon abhalten, nach Lösungen zu suchen.

Die Interpretation, dass das Auslaufen der epidemischen Lage auch bedeutet, dass die Pandemie vorbei ist, ist eine Fehlinterpretation. Im Bund wurden die verschiedenen Positionen der Länder und das, was rechtlich machbar ist, abgewogen. Es mag uns nicht gefallen, aber die nördlichen Bundesländer stehen mit einer deutlich höheren Impfquote und einer deutlich besseren Infektionslage eben eher kritisch zu weiteren pauschalen Einschränkungen. Was es jetzt braucht sind rechtssichere Handlungsspielräume für die Länder und auf Bundesebene, die Klarheit für Angelegenheiten die nur der Bund schaffen kann. Ich begrüße es ausdrücklich, dass es endlich Regelungen zur Homeoffice- Pflicht, zu 3G am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln geben soll. Auch die Wiedereinführung der kostenfreien Bürgertests und die strafrechtliche Bewertung von gefälschten Impfzertifikaten sind notwendig. Für Sachsen in seiner kritischen Lage ist die Länderöffnungsklausel, die es uns erlaubt in der jetzigen kritischen Situation weitere Maßnahmen einzuleiten, von besonderer Bedeutung.

Es ist also keinesfalls mit der Neufassung des Bundesinfektionsschutzgesetzes der Freedom Day ausgerufen, sondern es bleibt ein Herbst der Verantwortung. In dem der Bund neue Maßnahmen erlaubt und wir als Land nochmal eigene nur für Sachsen festlegen müssen.

Handlungsleitend dafür ist der Gesundheitsschutz aller und das Aufrechterhalten der medizinischen Versorgung, der Bildungs- und Betreuungsangebote und der sozialen Infrastruktur. Einschränkungen in diesen Bereichen sind für uns nicht zu verantworten.

Alle anderen Bereiche müssen wir der kritischen Prüfung unterziehen, weil nur Kontaktreduktionen uns helfen die Infektionszahlen zu reduzieren. Nur wenn die Infektionszahlen reduziert werden, wird auch die Hospitalisierungsrate miniminiert und die Systeme der Grundversorgung stabilisiert.

Der nüchterne Blick auf die Bedürfnispyramide nach Maslow macht klar, wir müssen die Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken aber auch die Sicherheitsbedürfnisse erfüllen. Menschen müssen auch in der Krise unabhängig vom Impfstatus die Möglichkeit haben einzukaufen, einen sozialen Kontakt außerhalb des Hausstandes wahrzunehmen (zumindest einen) und sich sicher zu fühlen, z.B. in dem sie Hilfe erhalten.

Das Recht auf Selbstverwirklichung, das Streben was in jedem von uns steckt, und deutlich mehr ist als Luxus, Konsum und Unterhaltung, gehört nicht zu dem was Grundbedürfnisse meinen.  Hier ist eine klare Differenzierung erlaubt. Differenzierung zwischen denen, die immunisiert sind, und denen, die es nicht sind.  

Die konsequente Umsetzung von 2G, notwendigerweise auch 2Gplus ist der nächste notwendige Schritt, unpopulär aber notwendig, zumindest wenn man an Wissenschaft und Modellierungen glaubt. Ob Baumarkt oder Boutique, ob Museum oder Musical: ein Besuch ohne Immunisierung und Test ist nicht mehr zu verantworten.

Wir wissen aus der Erfahrung, dass Kontaktbeschränkungen helfen, die Verbreitung des Virus einzuschränken. So halten Wissenschaftler wie Prof. Christian Drosten Kontakteinschränkungen auch jetzt für effizient um Neuansteckungen kurzfristig zu verringern.

Die Wissenschaftler sind sich einig, das Schließen der Impflücken hat oberste Priorität. So sagt Prof. Drosten: „Rein wissenschaftlich gesehen, würde eine flächendeckende Impfung der gesamten erwachsenen Bevölkerung die Belastung auf den Intensivstationen nachhaltig reduzieren“. Und genau das ist das Gebot der Stunde, wir müssen die Belastung der Intensivstationen und Krankenhäuser deutlich reduzieren.

Die Impfkampagne ist daher in Sachsen nochmal verstärkt worden. Alle niedergelassenen sächsischen Haus- und Fachärzte sind aufgerufen zu impfen. Zweidrittel unserer Ärzte tun dies mit dem riesigen Engagement ihres Praxisteams, dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön!

Die mobilen Impfteams sind personell verstärkt worden, damit sie doppelt so viele Impfungen verabreichen können. Es werden feste Standorte für Impfteams eröffnet. Und die Bestell- und Lieferfristen für die Impfstoffe wurden verkürzt. Eine Menge Power, die das SMS jetzt wieder ausrollt, um drei Impfanreize gleichzeitig abzufangen:

  1. Die Angst vor Infektion, weil die vierte Welle wirklich kommt.
  2. Der Aufruf an alle, sich boostern zu lassen.
  3. Die Regelungen zu 2G, der Eintritt für Geimpfte und Genesene bedeutet.

Es ist notwendig deutlich zu sagen, an welchem Punkt wir stehen. Die komplette Auslastung der ITS-Stationen ist nicht mehr zu vermeiden. Die Verlegungen in andere Bundesländer wird bereits vom DIVI-Team vorgeschlagen. Da die direkten Nachbarn wie Bayern und Thüringen selbst mit einer hohen Auslastung betroffen sind, müssen die Verlegungen auch in entfernte Bundesländer vorbereitet werden. Diese Aussage lässt sich auch gut emotionalisieren: Stellen sie sich vor ihre Partnerin oder Partner ist infiziert, wird sehr krank und es heißt, wir bringen sie oder ihn vorsorglich nach Hamburg, Bremen oder in die Lüneburger Heide. Sie sagen auf Wiedersehen ohne die Gewissheit, dass ein Besuch am Fenster möglich ist, dass sie die Lieblingssocken oder das Bild der Enkeltochter mal schnell abgeben können. Für mich ist das ein furchtbarer Gedanke!

Die Überlastung der Krankenhäuser stellt eine Gefahr für die medizinische Versorgung dar. Personal ist auch in dieser Welle der kritische Punkt, daher stellt eine andauernde Überlastung eine Gefährdung für die personelle Ausstattung dar. Die Personalbemessungsgrenzen sind kein politischer Spielball, sondern ein erprobtes Mittel, um Personal dauerhaft einsetzen zu können. Die Personaluntergrenzen sollten nur als letztes Mittel angepasst werden, um die Mitarbeitenden nicht noch weiter zu überfordern.

Gerade auf den ITS-Stationen, die die Schicksale dieser Pandemie erleben müssen, ist eine kontinuierliche psychologische Begleitung für das Personal notwendig. Uns fehlen ITS-Betten nicht, weil die jemand weggestellt hat, uns fehlen ITS-Betten, weil uns das hochkarätige Personal dazu fehlt, was die Patienten am Leben erhält. Platte Forderungen wie der Pflegebonus der AfD werden keine Fachkraft am Bett halten. Lebensfreundliche Arbeitszeitmodelle, kontinuierliche Entwicklungsmöglichkeiten, attraktives Gehalt, Zeit am Patienten, gesicherte Ruhephasen zur Regeneration und vieles mehr sind hier, aber auch in der Pflege und Erziehung notwendig, um in und nach der Krise noch Menschen für die Berufe zu gewinnen und in diesen zu halten.

Keiner hat mehr Lust Pandemie, aber eine Krise fragt nicht nach unserer Pandemie-Müdigkeit.

Wir müssen weitermachen. Um die Motivation nicht zu verlieren, würde ich gern den Orientierungsplan der SK wieder ins Gespräch bringen. Dieser Plan könnte kurz und knapp zeigen, was wann geschlossen werden muss, aber eben auch, wenn wir was wieder aufmachen können. Einfach um zu sehen, es lohnt sich jetzt zu verzichten.

 Die Landesregierung wird einen gemeinsamen Weg finden, durch diese Krise zu leiten. Dazu gehört eine gute Kommunikation zwischen Parlament und Ministerien, eine fundierte wissenschaftliche Begleitung und eine abgestimmte Öffentlichkeitsarbeit. Nichts verwirrt Menschen mehr, als dass jede Entscheidung vor ihrer Abstimmung schon im medialen Raum zerredet wird. Krisenzeiten brauchen Kooperation, Vertrauen und den Mut zu unpopulären Entscheidungen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!