Mein Redebeitrag zum Bericht der Staatsregierung zur Corona-Pandemie
41. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Dienstag, 21.12.2021, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Mitglieder der Staatsregierung,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wenn ich an Corona denke, spüre ich ganz tief in mir, dass ich keine Lust mehr auf das Thema habe, weil der Virus einfach alles in den vergangenen zwei Jahren überschattet, weil alle unendlich ermüdet sind und weil die Diskussionen zum Teil so absurd geführt werden, dass es eine große Portion Kreativität braucht, um dem Weihnachtsfrieden gerecht zu werden.
Aus dem letzten Plenum ist mir in Erinnerung geblieben, dass es helfen soll, Äpfel zu essen. Das ist natürlich Blödsinn und wie so oft eine grobe Vereinfachung für sehr komplexe Zusammenhänge.
Heute, kurz vor Weihnachten, habe ich mir aber fest vorgenommen, nach Verbindendem zu suchen und keine Gräben aufzureißen. Daher betrachten wir den Apfel doch noch einmal in einem größeren Zusammenhang und zwar der Gesundheitsprävention.
Prävention bedeutet Vorbeugen oder Verhüten und ist der Schritt, der eine Krankheit erst verhindern soll. Ich glaube, so wie viele, nicht daran, dass das Essen von Äpfeln uns alleinig vor Erkrankungen schützt. Aber ich weiß, es ist sehr sinnvoll, Gesundheitsprävention als solches zu betreiben, auch und gerade jetzt.
Sport treiben, sich gesund und gut ernähren, sich austauschen und gut für sich zu sorgen, ist auch in einer Pandemie wichtig und möglich. Jetzt höre ich es schon tönen, aber mein Fitnessstudio ist zu, die Kneipe schließt, bevor die Party startet, und meine Kinder können auch nicht mehr ins Spaßbad. Ja, das ist so. Heißt aber nicht, dass Corona uns dazu verdonnert, Netflix leer zu schauen und zu vereinsamen. Es heißt viel mehr, dass wir selbst gefragt sind, aktiv zu werden, statt zu konsumieren, selbst Produzent unseres Lebens zu sein.
Im Gegensatz zum vergangenem Jahr lässt sich die Zeit sogar mit Streams aus den heimischen Theatern oder liebevollen Funkelfenstern wie in Glauchau für alle Generationen hochwertig gestalten.
Prävention bedeutet für die kommenden Tage der Weihnachts- und Neujahrszeit aber auch, besonders vorsichtig zu sein oder um mit den Worten von Lothar Wieler zu sprechen, damit „Weihnachten nicht zum Kickstart für Omikron wird.“
Die Zahlen in Sachsen sinken derzeit. Aber es ist völlig unklar, was die neue Variante mit sich bringt und wie wir nach Weihnachten und Silvester dastehen. Allein die Tatsachen, dass in den Ferien 1,7 Millionen Tests an Schulen nicht stattfinden, bringt ein großes Dunkelfeld mit sich. Mit der neuen Verordnung, die direkt im neuen Jahr kommt, wird noch nicht der Zeitpunkt für Lockerungen sein.
Wer nach Niedersachsen schielt und das Urteil zu 2G für den Einzelhandel als Öffnungssignal wahrnimmt, der muss enttäuscht werden. Da in Sachsen die Zahlen leider an einem völlig anderen Stand waren und sind als in Niedersachsen, wird das Urteil nicht dazu führen, dass in Sachsen der Einzelhandel für Ungeimpfte Tür und Tor öffnet. Die Dramatik der Lage verlangt es auch, darüber nachzudenken, ob wir weitere Bereiche, die kontaktintensiv sind, wie die Gastronomie, schließen müssen.
Klar ist, dass es so schnell wie möglich eine Entlastung für den gesamten Bereich des Gesundheitswesens und der Kritis-Infrastruktur braucht.
Mit Kritis-Infrastruktur ist all das gemeint, was wir brauchen, um täglich zu leben – von Wasser über Abwasser, Energie, aber auch der Versorgung mit Lebensmitteln. Die Sorge, dass die Systeme halten, hatten wir schon im vergangenen Jahr – mit der Omikron-Variante verstärkt sich diese weiter. Fallen Mitarbeitende in diesen Bereichen aus, kommt das System schnell an seine Grenzen.
Im Supermarkt werden dann die Öffnungszeiten reduziert oder der Müll wird drei Tage später abgeholt. In anderen Bereichen führt der Ausfall zu sofort spürbaren Auswirkungen. Keiner möchte sich vorstellen, dass kein Strom aus der Steckdose kommt oder im Pflegeheim der Spätdienst ausfällt.
Aus den derzeitigen Beobachtungen verschärft sich die Lage mit der neuen Virusmutation noch einmal, da die Omikron-Variante absehbar zu einem größeren Problem wird. Die schnelle Übertragbarkeit und damit auch die Ansteckungsgefahr für Zweifachgeimpfte macht die Variation so gefährlich. Der auch auf Bundesebene anerkannte schnelle Handlungsbedarf, der sich sowohl in einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses heute als auch in einer einberufenen Schalte der Ministerpräsident*innenkonferenz zeigt, wird wohl auch in Sachsen zu weiteren Maßnahmen führen.
Sachsen hat mit seiner Verordnung im Rahmen des rechtlich möglichen schon sehr viel mehr als andere Bundesländer unternommen, um der Pandemie entgegenzuwirken. Dazu haben die hohen Zahlen uns hier bereits früher als sonst wo gezwungen. Damit besteht aber auch die Hoffnung, dass auch die Ausbreitung langsamer verläuft als in Regionen ohne diese strengen Kontaktreduktionen.
Aber – und das ist in Sachsen ein riesiges Problem – die Regeln müssen auch umgesetzt werden. Wenn ich da am vergangenen Wochenende nach Annaberg schaue und dort nicht nur zu 30. der Geburtstag gefeiert wird, sondern auch noch Polizisten brutal angegriffen werden, wenn sie diese illegale Party auflösen, oder wenn ich in meinen Stadtrat schaue, wo erwachsene Menschen immer noch nicht in der Lage sind, ein Maske anständig zu tragen, zeigt sich die ganze Spannbreite von menschgewordenen Virusunterstützern, die Corona ohne Hemmungen von A nach B tragen.
Um trotz schlechter Aussichten, Orientierung und Perspektive zu bieten, werden wir auch wieder in das Thema Orientierungsplan einsteigen. Da wir mittlerweile mit Inzidenzen, Bettenbelegung und Hospitalisierungsrate arbeiten, ist ein solcher Orientierungsplan eine gut abgestimmte Choreografie, in der es viel zu bedenken gibt. Ziel ist es, wieder in den Bereich der Niedriginzidenz zu kommen und die gravierenden Einschränkungen Stück für Stück zurückzunehmen.
Hier im Raum sollen ja Menschen sitzen, die glauben, es macht Spaß, Kletterhallen und Clubs, Theater und Museen zu schließen und Weihnachtsmärkte und Demonstrationen zu untersagen. Ich kann Ihnen sagen: Das ist ein Lügenmärchen, Spaß ist was Anderes.
Wir BÜNDNISGRÜNE werden uns dafür stark machen, dass Kinder, Jugendliche und geimpfte Sächsinnen und Sachsen die ersten sind, die keine Einschränkungen mehr erleben müssen.
Ein Punkt in der Verordnung macht mich als Jugendpolitikerin jedoch mehr als unglücklich. Wir haben uns dazu bekannt, dass wir Kinder und Jugendliche weitgehend aus den Einschränkungen heraushalten, um sie nicht weiter so extrem zu belasten. Seit der Verordnung vom 19. November aber sind sämtliche Angebote bis zum 16. Lebensjahr begrenzt. Es genießen aber ALLE Jugendlichen bis zum Erreichen des 18 Lebensjahres die besonderen Schutzrechte Minderjähriger. Als Kinder- & Jugendpolitikerin halte ich daher die aktuelle Regelung für falsch. Das bestätigt auch ein kurzer Blick in mein Mailpostfach. So erreichen mich viele Anfragen, warum beispielsweise die 15-Jährige zum Handball darf, der Bruder mit 16 aber nicht mehr zum Basketball. Warum die halbe Ballettgruppe nicht kommen kann und ob ich glaube, dass damit 16- und 17-jährige vom Impfen überzeugt werden, wenn wir sie vorher aus dem Verein oder der Musikschule ausschließen. Nein, das glaube ich nicht!
Die Jugendlichen, die bisher nicht geimpft sind, werden sich auch morgen nicht gegen den Willen der Eltern heimlich auf den Weg zum Impfzentrum machen. Daher bitte ich die Mitglieder des Kabinetts, hier ab Januar gegenzusteuern und alle unter 18 Jahren, die durch die schulische Testung den 3G-Status haben, wieder in den Sportverein, zur Musikschule und Graffitikurs gehen zu lassen.
Heute über Impfen zu reden, ist ein wenig wie der Blick in die Glaskugel. Die Hoffnung, dass Herr Lauterbach die Kühlschränke wieder gefüllt bekommt, ist groß. Alles andere ist unvorstellbar! Wir rollen mit einem riesigen Aufwand alles aus, was zum Thema Impfen zu mobilisieren ist. Wir aktivieren Menschen zur Auffrischungsimpfung und haben im Januar keinen Stoff mehr, das ist den Menschen nicht vermittelbar.
Das würde auch bedeuten, dass es notwendig ist, wieder zu priorisieren, um den vulnerablen Gruppen den Zugang zu ermöglichen. Mein Weihnachtswunsch an die Bundesregierung ist, dass es bitte anders kommt.
Am Wochenende haben viele Eltern mit ihren Kindern die Termine zum Kinderimpfen wahrgenommen. Der große Andrang zeugt davon, dass viele Eltern verantwortungsbewusst agieren und ihre Kinder schützen wollen. Diesem wird Rechnung getragen, indem zusätzlich zu den Kinderarztpraxen, Angebote zum Kinderimpfen in Impfstationen und in Kinderkliniken und -ambulanzen eingerichtet wurden. Die auch über die Feiertage und die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr angebotenen Impfmöglichkeiten sind besonders wichtig, um die Impfkampagne voranzubringen. Auch bei der Omikron-Variante schützt die Impfung vor einem schweren Verlauf von Covid-19.
Was uns doch alle eint, ist der Gedanke, dass wir diese Krise satt haben. Dass wir müde sind. Dass wir nur noch wollen, dass es endlich vorbei ist! Das spüren die, die drei Mal geimpft sind und durch den Wald spazieren genauso wie die, die sich montags oder mittwochs oder am Sonntag in Gruppen durch Innenstädte bewegen, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Der Unterschied ist: Die einen glauben fest daran, dass Impfen, Kontaktreduktion und eine Kontrolle des Infektionsgeschehen hilft, die anderen setzen auf natürliche Immunisierung und lehnen Maßnahmen zur Infektionsminimierung und Masken ab. Hier Brücken zu bauen, ist trotz Weihnachten anspruchsvoll. Gelingen könnte es dann, wenn die, die Protest gegen die Maßnahmen einlegen wollen, sich nicht rechten Banden anschließen und damit ihr Ansinnen, für ihre Grundrechte zu demonstrieren, von rechtsextremen Ideologien abgrenzen.
Die jetzige Mischung ist toxisch und endet in einer Gewaltspirale, die wir alle nicht wollen können. Die Einzigen, die davon profitieren, sind verfasste Rechte, die egal, welches Thema sich bietet, als Rattenfänger durch Sachsen ziehen und sich mit scheinbar einfachen Lösungen für komplexe Themen anbieten. Hauptsache sie vergrößern ihren Einfluss, um dann ihre wirklichen Ziele mit Gewalt durchsetzen zu können.
Wie muss sich eigentlich eine Krankenpflegerin fühlen, deren Alltag aus einer übervollen Coronastation und abgesagten OPs besteht, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit an einem AfD-Stand vorbei muss, der Impfen skandalisiert? Wie ist das für Kinder, die gerade in Obhut genommen worden sind, weil ihre Eltern so schwere Coronaverläufe haben, dass sie ihre Kinder nicht mehr betreuen können?
Es ist mir ein weihnachtliches Anliegen, der AfD-Fraktion den Wunsch mitzugeben, das instrumentalisierte Nein zum Impfen aufzugeben und sich den Fakten und Tatsachen angemessen zu verhalten. Die Freiheit des Einzelnen endet eben dort, wo andere gravierende Einschränkungen erleben.
Es wird das zweite Feste und das zweite Neujahr, wo viele kein Freihaben und die, die sonst auch nicht freihätten, wie Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen, der Pflege, der Jugendhilfe oder der Grundversorgung, viel, viel mehr und härter arbeiten müssen.
Ich bin dankbar, dass diese Menschen das für uns tun und ich weiß, sie haben keine Geduld mehr mit denen, die nicht alles tun, damit die Pandemie bald vorbei ist.
Zu Weihnachten darf man ja wünschen, daher lassen sie mich fromm enden:
Lieber Gott, schicke Impfstoff, Impfwillige und nur noch Spaziergänger im Wald.
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