Mein Redebeitrag zur Zweiten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion CDU: „Medizinische Versorgung auf hohem Niveau sichern – Sachsens Krankenhäuser in der Krise unterstützen“
60. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 10.11.2022, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleg:innen,
meine Damen und Herren,
lassen sie mich erstmal zwei Dinge klarstellen.
Erstens: Unsere medizinische Versorgung – in Deutschland und in Sachsen – ist auf Weltklasseniveau. Ob man jetzt bei der OECD schaut, wo deutlich wird, dass wir die höchste Bettendichte aller OECD-Staaten haben oder im Bereich Qualität, wo laut WHO Deutschland auf Platz 10 liegt, was die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten angeht.
Es geht also nicht um Defizite, die kompensiert werden müssen, sondern um die Frage, wie wir die Qualität halten.
Zweitens: Das System ist so gut, wie seine Architektur es erlaubt hat, zu sein. Unabhängig von den Herausforderungen der Corona-Krise und den aktuellen Belastungen durch Energiepreise und Inflation, infolge des russischen Angriffskrieges, zeigt die Bausubstanz selbst schon deutliche Verwerfungen.
Genau diese grundlegenden Baufehler müssen wir jetzt in Land und Bund angehen, um den Sächsinnen und Sachsen die Sicherheit zu geben, dass sie auch in Zukunft gut versorgt sind.
Was passiert dazu gerade jetzt:
In Sachsen: Wir novellieren das Sächsisches Krankenhausgesetz, welches fast 30 Jahre alt ist. Mit dem Ziel der Sicherstellung der medizinischen Versorgung in ganz Sachsen, auch in den ländlichen Regionen durch Regelversorger mit Gesundheitszentren. Darin wird die Zusammenarbeit der Leistungserbringer, die Digitalisierung, Weiterbildung und Qualitätssicherung im Gesetz verankert und finanziell förderfähig.
Dazu sind Modellvorhaben möglich, weil komplexe Herausforderungen eben durch Innovation statt immer weiter so gemeistert werden. Mit diesem Gesetz werden wir die sächsische Krankenhauslandschaft strukturell für die Zukunft fortentwickeln.
Aber dies ist nur ein Baustein: Die Finanzierung der Krankenhäuser besteht aus zwei Säulen. Einmal die Investitionskosten über die Länder und zum anderen über die Krankenkassen, geregelt über die Bundesebene die Finanzierung der laufenden Kosten.
Und genau die Kosten, die die Krankenkassen tragen, sind die für die Patientenversorgung nötigen. Dort spielen die aktuell durch die Krisen extrem gestiegenen Kosten bei Energie und Sachkosten rein. Durch gesetzliche Regelungen können die Krankenhäuser diese gestiegenen Kosten nicht über eine Rückerstattung von den Krankenkassen einfordern. Budgetverhandlungen zwischen Krankenhaus und Krankenkassen werden prospektiv, also für die Zukunft geführt. Man könnte auch sagen, die Rechnung wird mit der Glaskugel gemacht, da die Krankenhäuser die Entwicklung ihrer Kosten für die Zukunft in den Verhandlungen einbringen. Was die Kosten der Zukunft sind, das wissen wir spätestens seit dem 24. Februar, ist nicht berechenbar.
Dies ist ein Problem, was das Bundesgesundheitsministerium erkannt hat und mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz angehen wird. Laut dem Gesetzentwurf sollen diese Budgetverhandlungen durch Fristen und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren beschleunigt werden.
Im Mai hat die Bundesregierung eine Expertenkommission zur Krankenhausreform eingesetzt. Diese hat bereits Vorschläge zur Neuordnung der stationären Versorgung von Kindern vorgelegt und dazu erste Reformschritte empfohlen. Durch das vorgeschlagene Modell zur Finanzierung von Vorhalteleistungen in der Pädiatrie kann sichergestellt werden, dass die aus dem DRG-System resultierenden Fehlanreize in diesen Leistungsbereichen künftig abgebaut werden. Der betriebswirtschaftliche Druck, die Zahl der Krankenhausfälle immer weiter zu steigern, sollte so deutlich verringert werden.
Ebenfalls wurden Vorschläge zur Reform der Vergütungen in der stationären Geburtshilfe gemacht. Diese können eine sinnvolle Verknüpfung einer verlässlichen Finanzierung und Vorgaben für eine bedarfsgerechte Struktur bewirken. Dies sind erste Schritte der Bundesregierung auf dem Weg zur umfassenden und überfälligen Klinikreform.
Es gehört ja zu den Spielregeln, dass man immer dort, wo man Opposition ist, kräftig draufhaut. Es mutet aber merkwürdig an, wenn, wie im Fall der CDU, bis zur letzten Legislatur für die Ressorts zuständig war und sowohl im Bund als auch Zuhause die Weichen anders hätte stellen können. Aber der Blick zurück ist nicht zielführend, wenn man Krisen bewältigen und Zukunft gestalten will.
Um durch die aktuelle Krise mit hohen Energiepreisen und Inflation zu kommen, hat die Bundesregierung Energie- und Inflationshilfen von insgesamt acht Milliarden Euro für Kliniken und Pflegeheime zugesagt. Durch die zum Teil gestiegenen Energiekosten sind Krankenhäuser in eine wirtschaftliche Notlage geraten. Energie lässt sich auch hier einsparen, aber der laufende Betrieb muss gewährleistet werden. Dies soll nun mit einer Härtefallregelung aufgefangen werden, die bis April 2024 laufen wird.
Die Hilfen sollen sich in zwei Phasen gliedern: Für die Zeit von Oktober 2022 bis März 2023 sollen Krankenhäuser „Abschlagszahlungen als Liquiditätshilfen“ erhalten. Für die Zeit von März 2023 bis April 2024 sollen Kliniken und Pflegeheime ergänzend zur Energiepreisbremse noch ungedeckte Mehrkosten erstattet bekommen.
Im Bund wurde nun dieses große Entlastungspaket für die Krankenhäuser geschnürt. Und in anderen Bundesländern wurden bereits eigene Entlastungspakete, auch zur Entlastung der Krankenhäuser, beschlossen. Auch für Sachsen drängen wir BÜNDNISGRÜNEN bereits seit Monaten darauf, konkret und einrichtungsscharf Angebote zu sichern und z.B. energetischen Sanierungen, Maßnahmen zur Einsparung und auch ganz konkrete Wirtschaftshilfen zur Angebotssicherung zu leisten.
Ein weiteres hausgemachtes Problem bei unseren sächsischen Krankenhäusern ist die Rosinenpickerei, die im Freistaat in den letzten 30 Jahren ermöglicht wurde und mit deren Folgen wir jetzt zu kämpfen haben. Unter dem Deckmantel der Trägervielfalt und dem Anschein, dass der Markt alle Probleme klärt, ist die Architektur der sächsischen Krankenhauslandschaft so gestaltet worden, dass gewinnorientierte Unternehmen neben kommunalen Einrichtungen stehen. Heute zeigt sich dabei deutlich, dass die Rosinenpickerei um sogenannte lukrative Eingriffe dazu führt, dass Kinder, Schwerkranke, ältere Menschen und Notfälle bei den kommunalen und gemeinnützigen Häusern bleiben, während die Augen-OP oder der Eingriff am Herzen sehr gerne im aktionärsgeführten Haus abgewickelt werden. Für mich hört der Spaß spätestens dann auf, wenn genau aus diesem Baufehler heraus, sich Notaufnahmen vom Netz nehmen, während die kommunalen Häuser alle, wirklich alle versorgen, oder die private Augenklinik nach ambulanten OPs an den kommunalen Versorger verweist, falls nach 16.00 Uhr Komplikationen auftreten.
Für eine krisenfeste Krankenhausversorgung steht eine staatliche Daseinsvorsorge, die sich um die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten kümmert. Und nicht wie Unternehmen, die wirtschaftliche profitgesteuerte Interessen verfolgen.
Für unsere sächsischen Krankenhäuser sehen wir als BÜNDNISGRÜNE mit dem Hilfspaket der Bundesregierung und mit den ersten Schritten im Bereich Pädiatrie und Geburtshilfe gute Wege, um sie in der aktuellen finanziellen Notlage zu unterstützen.
Und für unsere künftige Krankenhauslandschaft in Sachsen wird uns das novellierte sächsische Krankenhausgesetz die Weichen stellen. Um die Sicherheit der Patientenversorgung zu gewährleisten, muss es aber in Zukunft darum gehen, dass Daseinsfürsorge im medizinischen Bereich nicht der Schlüssel zur Gewinnerwirtschaftung sein kann, sondern in kommunale und gemeinnützige Hände gehört.