Mein Redebeitrag zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion SPD zum Thema:
„Schule ist mehr als Unterricht. Sechs Jahre Landesprogramm Schulsozialarbeit: Ein Erfolgsmodell für Sachsen“
60. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 10.11.2022, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleg:innen,
meine Damen und Herren,
wir haben in den letzten sechs Jahren die Schulsozialarbeit sachsenweit an vielen Schulen möglich gemacht und auch in der laufenden Koalition war klar, wir setzten das Landesprogramm mindestens fort. Damit verbunden ist auch die Erkenntnis, dass Schule ein Lebensort ist, in dem junge Menschen fachlich gebildet, aber eben auch als Persönlichkeiten anerkannt werden.
Wir stehen in Sachsen durchaus sehr gut da, auch im bundesweiten Vergleich. 2021 profitieren 40% aller Schulen in Sachsen mit über 700 Fachkräften von der Förderung. Die meisten davon sind Oberschulen.
Aus 2021 wissen wir, dass eine Schulsozialarbeiter*in im Durchschnitt für 624 Schüler:innen verantwortlich ist. Hier ist trotz der guten Förderung in Sachsen noch viel Luft nach oben, wenn der Fachstandard bei 1:150 ist.
Sehr positiv ist dabei die Verteilung bei den Schularten, so hat Schulsozialarbeit bei Oberschulen und Förderschulen ein sehr gutes Verhältnis zwischen Fachkraft und Schüler*in – das ist fachlich sinnvoll und politisch so gewollt. Ein großer Wunsch ist noch, dass wirklich jede Förderschule Schulsozialarbeit hat, derzeit sind da noch knapp 80 Standorte offen.
Die Schulsozialarbeit ist neben der Jugendpauschale das größte über Landesgelder finanzierte Projekt im Sozialhaushalt. Im Regierungsentwurf sind dafür 35 Mio bzw. 36,1 Mio Euro vorgesehen. Das zeigt: Sachsen investiert in junge Menschen.
Sozialarbeit ist eine Chance für die Weiterentwicklung des Systems Schule, weil neben der Bildungsbiografie und einer Berufsvorbereitung auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Person und Identität auf der Agenda steht: Schule wird nicht mehr nur als Lernort verstanden, sondern als ein Lebensort, an dem Kinder und Jugendliche Möglichkeiten der Beteiligung, Selbstwirksamkeit und auch Hilfe erfahren.
Das macht auch Themen sichtbar, die Schule allein nicht bearbeiten will und kann. Mobbing, Umgang mit sozialen Medien, Themen wie Sexualaufklärung oder Depression, Suche nach geeigneten Praktikumsplätzen auch mit den Schüler*innen, die sich schwer tun oder Kinderschutzthemen und Hilfen bei Erziehungsfragen der Eltern sind Arbeitsalltag von Schulsoziabeiter*innen. Bei allem Engagement der sächsischen Lehrer*innen gehören diese Themen nicht unbedingt in das Profil einer Lehrkraft, sodass Schulsozialarbeit hier eine große Erleichterung für den Schulalltag bringen kann.
Schulsozialarbeit versteht sich dabei aber nicht als Schule, sondern als Leistung der Jugendhilfe. Dort ist Schulsozialarbeit auch gesetzlich verankert, darüber wird sie auch finanziert. Das Angebot steht allen Schüler*innen offen, ist aber freiwillig. Die Unterstützung ist individuell und widerspricht mitunter den Grundsätzen in unserem Bildungssystem, in dem klare Lernziele und genormte Leistungen abgerufen werden. Beim Berufsprofil von Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen prallen verschiedene Welten aufeinander. Für die Kinder und Jugendlichen ist das dann gut, wenn sie von beiden das Beste bekommen.
Als Jugendpolitikerin benenne ich diese Unterschiede immer wieder ganz klar und mache auch hier deutlich: Schulsozialarbeit darf nicht als Reparaturwerkstatt missverstanden werden für alles, was Lehrer*innen in einer vielfältigen Schulgemeinschaft herausfordert und vielleicht auch überfordert.
Schulsozialarbeit bietet jungen Menschen an Schulen Unterstützung an, wo sonst die Zeit oder der Rahmen fehlt. Sie funktioniert dann gut, wenn Schule die Schulsozialarbeit als Unterstützung ernstnimmt und Schulsozialarbeit sich professionell von den Aufgaben die Schule abgrenzt. Wichtig ist dabei, dass „das Unterrichten sowie die Kompensation von ausfallenden Schulstunden durch die Fachkräfte der Schulsozialarbeit ausgeschlossen“ ist.
Schulsozialarbeit ist also nicht der Schule verpflichtet, sondern der Schülerin oder dem Schüler und ggf. den Erziehungsberechtigten. Das birgt ein großes Potential, denn es macht deutlich: Jedes Kind ist uns wichtig – heute und in Zukunft.
Bei aller Freude über das Landesprogramm gilt es aber auch zu schauen, was sind die Herausforderungen. Neben dem großen Bedarf an erfahrenen Fachkräften möchte ich hier auch die Erfordernisse der fortlaufenden Professionalisierung benennen. Die Befragung der EHS in der Zeit der coronabedingten Ausnahmesituation an Schulen hat gezeigt, dass „die kooperative Autonomie“ – also eine professionelle Eigenständigkeit mit ergänzender Kooperation an Schulen – sich noch deutlich weiter entwickeln kann.
Daher ist es aus meiner Sicht ein Auftrag der demokratischen Jugendpolitiker:innen in diesem Haus, die Verständigung zu den Kernaufgaben von Schulsozialarbeit und den notwendigen Rahmenbedingung für eine Weiterentwicklung zu gestalten.
Die letzten Jahre waren auch für die Fachkräfte der Schulsozialarbeit anstrengend, anspruchsvoll und alles andere als geordnet. Mein herzlicher Dank gilt den Kolleg*innen aus der Praxis, die sich den Herausforderungen rund um die Coronakrise gestellt haben und sich auch in Zeiten der Schulschließungen engagiert an der Seite der Kinder und Jugendlichen standen.
Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit und für die Debatte, liebe Kolleg*innen von der SPD!