Mein Redebeutrag zur Ersten Aktuellen Debatte der Fraktion SPD: „Studienplätze aufgestockt, Telemedizin gestärkt, Gesundheitszentren ermöglicht: Umsetzung und Weiterentwicklung des 20-Punkte-Programms zur medizinischen Versorgung in Sachsen“
76. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 20.09.2023, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
in einer Umfrage sieht die sächsische Bevölkerung unter anderem den Ärzt*innenmangel als eine der wichtigsten Aufgaben für die nächste Landesregierung. Unsere gesundheitliche bzw. medizinische Versorgung ist für unsere sächsischen Bürger*innen und für uns BÜNDNISGRÜNE ein besonders wichtiges Thema.
2019 wurde von der sächsischen Staatsregierung ein Maßnahmenkatalog unter dem Titel „20-Punkte-Programm – Medizinische Versorgung 2030“ beschlossen. Diese Maßnahmen sollen die medizinische Versorgung in Sachsen sicherstellen. Nach einem Umsetzungs-Check des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) tun wir gut daran, das Programm fortzuführen und weiterzuentwickeln.
Die Studienplätze für Humanmedizin wurden erhöht. Hier müssen wir für die Zukunft auch die Zahnmedizin mitdenken, denn nach aktuellen Zahlen der Sächsischen Landeszahnärztekammer werden in den nächsten Jahren viele Zahnärzt*innen in den Ruhestand gehen. Deshalb werden wir nicht um eine Erhöhung der Studienplätze herumkommen.
Das Programm „Studieren in Europa“ an der Universität in Pécs in Ungarn läuft seit zehn Jahren. Wir haben das Gesetz zur Stärkung der ärztlichen Versorgung im Landtag beschlossen, um mehr Landärzt*innen auszubilden. Dies sind alles wichtige Maßnahmen, die aber bei einer Arztausbildung von circa elf Jahren erst mittel- bis langfristig Wirkung zeigen.
Bei mehr als 450 fehlenden Hausärzten in Sachsen brauchen wir weitere Maßnahmen, die kurzfristig greifen. Und für uns BÜNDNISGRÜNE heißt das, wir müssen für gute Arbeits- und Lebensbedingungen sorgen – gerade in ländlichen Regionen.
Wir wissen, dass junge Ärzt*innen heute lieber im Team arbeiten, lieber angestellt als selbstständig tätig sind und ihnen eine gesunde Work-Life-Balance sowie gute Angebote für ihre Kinder und ihre Freizeit wichtig sind. Das heißt, wir als Land und die Kommunen müssen die Voraussetzungen dafür schaffen.
Gesundheitszentren bzw. medizinische Versorgungszentren (MVZ) können für das medizinische Fachpersonal ein attraktiver Arbeitsort sein und für die Patient*innen die Anlaufstelle bei gesundheitlichen Beschwerden. Gesundheitszentren können unterschiedliche medizinische Fachrichtungen, wie Physiotherapie, Ergotherapie, Sanitätshaus, Apotheke und viele andere unter einem Dach vereinen. Dafür müssen wir im nächsten Haushalt Gelder bereitstellen, damit die Kommunen solche Gesundheitszentren auch in die Tat umsetzen können.
Den Fachkräftemangel, ob Ärzt*innen, Pflegefachkräfte oder andere, werden wir allerdings nicht allein mit unseren Studierenden und Auszubildenden lösen können. Wir brauchen ebenso ausländische Fachkräfte.
Dafür brauchen wir eine aufgeschlossene Bevölkerung und müssen uns eindeutig gegen jede Form der Diskriminierung stellen, damit auch ausländische Mediziner*innen sich im ländlichen Raum zu Hause fühlen. Die politische Hetze einzelner Parteien trägt dazu nicht bei. Wenn die zweitgrößte Tageszeitung der USA rechte Aufmärsche in Sachsen, wie aktuell von Görlitz, zeigt, ist dies für eine Willkommenskultur und ein freundliches Gesicht dieses Bundeslandes nicht zuträglich.
Zudem brauchen wir, gerade in den ländlichen Regionen, noch mehr Möglichkeiten der telemedizinischen Versorgung. Kooperationen zwischen Krankenhäusern oder speziellen Fachärzt*innen und den regionalen Gesundheitszentrenmüssen ausgebaut werden. Dies setzt eine digitale Infrastruktur voraus. Außerdem müssen für eine sektorenverbindende Versorgung, damit ambulant und stationäre Versorgung zusammenarbeiten können, Abrechnungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dafür müssen Krankenkassen spezielle Verträge mit den Krankenhäusern schließen und der Bund Abrechnungsmöglichkeiten etablieren, da aktuell eine strikte Trennung zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung erfolgt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
eine weitere Möglichkeit, Ärzt*innen zu entlasten, ist die Delegation von medizinische Leistungen. So können Nichtärztliche Praxisassistent*innen (sogenannte NäPA) oder Versorgungsassistent*innen (VERAH) in der Hausarztpraxis bei der Betreuung von Patient*innen unterstützen, etwa indem sie Haus- und Pflegeheimbesuche übernehmen.
Für die medizinische Versorgung unserer sächsischen Bevölkerung, gerade unter dem Einfluss des demografischen Wandels und des Arbeits- und Fachkräftemangels, müssen wir weiterhin Maßnahmen ergreifen.
Unser sächsisches Krankenhausgesetz bildet bereits eine gute Grundlage, um auch mit Gesundheitszentren die medizinische Versorgung vor allem in den ländlichen Regionen sicherzustellen. Weiterhin brauchen wir eine große Kraftanstrengung, um medizinische Fachkräfte für Sachsen gewinnen und ausbilden zu können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!