Mein Redebeitrag zur Dritten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion AfD zum Thema: „Bischofswerda, Weißwasser, Leisnig, Lichtenstein. Wer ist als Nächstes dran? Medizinische Versorgung sichern – Klinikschließungen verhindern“
47. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 24.03.2022, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
komplexe Zusammenhänge populistisch zu verpacken, kennen wir ja hier im Haus schon zu Genüge. Die rechten Kräfte grasen das Feld ab, immer auf der Suche nach steilen Thesen, Unterstellungen und Verkürzungen. Hauptsachse die Botschaft steht, dass die Koalition zu allem zu dämlich ist.
Deshalb schauen wir nochmal hinter die Entscheidungen der Kliniken:
Was benötigt ein Krankenhaus, um eine gute Versorgung der Patient*innen zu gewährleisten? Es sind die Fachkräfte – Fachärzt*innen, Pflegefachpersonal, Hebammen und Geburtshelfer*innen und Dienstleister*innen.
Ein Blick zurück zu den betroffenen Stationen der genannten Krankenhäuser: Im Krankenhaus Bischofswerda, welches zu den Oberlausitz-Kliniken zählt, musste die Frauenklinik geschlossen werden. Der Geschäftsführer begründete es damit, dass er nicht genügend Personal für zwei Frauenkliniken in Bautzen und Bischofswerda hat. Die Personalgewinnung, die sich auch auf das ost- und südeuropäische Ausland gerichtet hat, war nicht erfolgreich. Er hätte jeweils fünf Fachärzt*innen und Hebammen benötigt, um beide Standorte zu erhalten. Hatte er aber nicht, also musste ein Standort sein Angebot einschränken.
In Leisnig waren von der Schließung die Geburtenstation, die Gynäkologie und die Kinderheilkunde betroffen; Grund für die Schließung auch hier Personalmangel.
Das Krankenhaus Lichtenstein vom Deutschen Roten Kreuz will seine vollstationäre Kinderklinik in eine Tagesklinik umwandeln. Aus der derzeit möglichen Rundumversorgung für Kinder würde dann eine Versorgung mit zehn Stunden am Tag. Die nächsten dauerhaft geöffneten Kinderkliniken sind in Chemnitz und Zwickau gut und schnell erreichbar. Das schreibt sogar Herr Schaufel im großen weiten Netz. Als Grund benennt die Klinikleitung auch hier eine zu dünne Personaldecke.
Der Freistaat schließt keine Klinik und auch keine Abteilung, sondern es sind absolut nachvollziehbare Schlussfolgerungen der Klinikleitungen, weil ihnen schlicht und ergreifend das Personal fehlt.
Zum Thema Fachkräfte möchte ich Ihnen von einem Gespräch in einem Krankenhaus erzählen. Ich habe mich dort mit der Krankenhausleitung und Ärzt*innen getroffen, um über die anstehende Änderung des sächsischen Krankenhausgesetzes zu sprechen. Dabei kam eine Leitungskraft auf mich zu und äußerte seine Sorgen: Er übt seinen Beruf sehr gern aus, auch in dieser Klinik im ländlichen Raum. Er ist deshalb mit Frau und Kindern aus der Großstadt aufs Land gezogen. Aber er wird mit Kind und Kegel die Region verlassen, wenn bei den kommenden Landratswahlen die AfD gewinnt. So würden auch Kolleg*innen von ihm denken.
Auch auf die Gefahr hin, dass Ihnen diese Schlussfolgerungen bekannt vorkommen, weil sie bereits in der ersten Aktuellen Debatte rund um die Landarztquote mir ihr Ohr geschenkt haben, wiederhole ich mich an dieser Stelle bewusst.
Sachsen wird mit seinen demografischen Fakten nur gemeinsam mit Zuwanderern die Versorgung in der gesamten Gesundheits- und Sozialwirtschaft sicherstellen können.
Wir werden dem Fachkräftebedarf nicht ohne ausländische Fachkräfte begegnen können und dafür brauchen wir offene, einladende Gemeinden und keine rechten, ablehnenden Parteien, die nur auf Stimmungsmache aus sind.
Die Kliniken stehen in Konkurrenz um Fachkräfte und da entscheiden nicht nur Gehalt und Arbeitsbedingungen, sondern auch, ob ich als Zuwanderer einen Kita-Platz bekomme, ob ich gefahrlos auf dem Markt einkaufen kann und ob es Sport- und Freizeitangebote für mich und meine Familie gibt. Und ein wichtiges Kriterium ist, kann ich mich zu Hause fühlen, werde ich von den Nachbarn gut aufgenommen.
Wer also Klinikstandorte erhalten will, muss sich für eine weltoffene, multikulturelle Gesellschaft stark machen, die Menschen mit verschiedener Hautfarbe, Glaubensgrundsätzen und Sozialisationen aufnimmt.
Neben dem fehlenden Personal mussten die Kliniken auch aus wirtschaftlichen Gründen schließen.
Im Bereich der Kinderheilkunde sind die Personalkosten am höchsten. Beispielsweise braucht es bei der Blutabnahme eine zusätzliche Schwester oder zusätzlichen Pfleger, der das Kind beruhigt. Dies wird bisher bei der Kostenübernahme nicht berücksichtigt. Hier ist eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung auf Bundesebene notwendig. Und genau diese Weiterentwicklung wurde im Koalitionsvertrag der Ampel für die Bereiche der Kinder- und Frauenheilkunde sowie der Notfallmedizin endlich vereinbart.
Um die Grundversorgung auf dem Land zu sichern, stellen wir hier in Sachsen auch die Weichen im Krankenhausgesetz für die künftige Entwicklung. So brauchen wir ein stabiles Netz an Behandlungszentren für Notfälle, die schnell erreichbar sind für all die Behandlungen, die keinen Zeitaufschub dulden.
Gesundheitszentren/Gesundheitsregionen können dafür eine gute Lösung sein. Ihr Schwerpunkt liegt auf der ambulanten Medizin, haben aber auch einige Betten, die mit den großen Krankenhäusern kooperieren und digital vernetzt sind. Damit können wir die regionale Versorgung sichern.
Unsere hochspezialisierten Fachkliniken und großen Krankenhäuser mit sehr viel Erfahrung können durch die Vernetzung mit den Gesundheitszentren über Telekonsil oder Videosprechstunde hinzugezogen werden. Diese Zusammenarbeit sichert die Qualität und die Wohnortnähe.
Auch wenn es für die AfD-Fraktion eine Zumutung darstellt: Die Welt verändert sich, Kliniken und Versorgungsangebote entwickeln sich weiter, demografische Faktoren zwingen uns förmlich, innovative Lösungen zu finden. Und falls sie auch nur in Ansätzen den Werkstattprozess zum Krankenhausgesetzes verfolgt haben, könnten sie erkennen, dass in allen Ebenen genau an diesen Fragen gearbeitet wird.
Mit ruhigem Gewissen kann ich sagen, dass die AfD-Fraktion keinerlei Beitrag zu diesen Prozessen leistet; nicht in der Lage ist, komplexe Prozesse aufzunehmen und uns ein schweres Erbe bereitet, indem sie in Teilen Sachsens das Leben und Arbeiten von Fachkräften, die nicht nur eine deutsche Sozialisation haben, verunmöglichen.
Wer Kinderklinken stärken will, braucht neben Fachkräften aus aller Welt auch eine bessere Finanzierung über die Fallpauschalen auf Bundesebene, das ist das klare Ziel der GRÜNEN-Fraktion im Bundestag.
Zu beiden Dingen leistet weder der Debattentitel noch die AfD einen Beitrag.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!